NS-Zeitzeugen am Ernst-Mach-Gymnasium

Lebensgeschichte einer Überlebenden

Abiturientin Emilia (r.) übersetzt den erschütternden Bericht der Zeitzeugin Józefa Posch-Kotyrba

Ausgerechent am 8. Mai, dem Jahrestag der deutschen Kapitulation, haben uns mehrere Zeitzeugen aus Polen besucht, die uns ihre Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg schilderten.

Als Empfang bereiteten wir ein Frühstück für die Zeitzeugen vor und anschließend begleiteten wir sie mit  den Kurslehrern sie zu den einzelnen Kursen  der EF, wo das jeweilige Zeitzeugengespräch mit einer Zusammenfassung ihres Lebens begann.

Eine der Zeitzeuginnen war Józefa Posch-Kotyrba. Am 22.02.1938 in Jaworzno geboren, war bei Ausbruch des Krieges fünf Jahre alt. Da ihr Vater zu einer Protestgruppe gehörte, wurden sie und ihre zwei Geschwister Mieczyslaw (8) und Gertruda (2), sowie ihre Mutter in der Nacht vom 11. auf den 12. August 1943 verhaftet, ihr Vater konnte jedoch nicht gefunden werden. Später traf sie ihre Cousinen im Gefängnis Katowice wieder und erfuhr, dass auch ihr Onkel nicht gefunden werden konnte. Dort wurden sie von ihren Müttern getrennt und in ein  Polenlager gebracht.

Wie sie später erfuhr, wurden ihre Mutter und ihre Tante nach Auschwitz deportiert und verstarben dort im Februar 1944. Neun weitere Familienmitglieder verstarben ebenfalls in Konzentrationslagern wie Birkenau und Auschwitz. Ihr Vater, ihr Onkel sowie andere Angehörige der Protestgruppe wurden von der Gestapo in Myslowice erschossen.

Sie und ihre Cousinen waren vorerst in kleineren Lagern in Tschechien und kamen dann nach Potulice, wo sie bis zur Befreiung blieben. Potulice war ein Kinderlager, 20 km südwestlich von Bydgoszcz-Bromberg, wo sie mit ca. 140 weiteren Kindern hingebracht wurde. Da sie jünger als acht Jahre alt war, musste sie zusammen mit anderen Kindern, unter schlechten Hygienebedingungen, die Baracken säubern, während ältere Kinder außerhalb des Lagers arbeiten mussten.

Die Kinder mussten alle gemeinsam in den Baracken auf Pritschen schlafen, im Winter jedoch wurden kranke Kinder in eine separate Baracke gebracht. Unter den schlechten Bedingungen im Lager verstarben viele Kinder, unter anderem auch eine ihrer Cousinen, die im Schlaf verstarb.

Sie selbst überlebte jedoch, bis am 21. Januar 1945 die Rote Armee die Kinder befreite. Anschließend wurden sie mit mehreren Transporten nach Bedzin gebracht, wo das Rote Kreuz bereits auf sie wartete und sie ins Krankenhaus brachte, wo sie versorgt wurden. Ihre Großmutter erfuhr durch einen Zeitungsartikel, wo sie ihre Enkelkinder abholen konnte. Zusätzlich nahm ihre Großmutter noch sechs weitere Kinder bei sich auf.

Als ihre Großmutter verstarb, kam sie mit 13 in ein Jugendheim, kurz nachdem sie die Schule beendet hatte. Sie erreichte die Mittlere Reife und studierte später in Krakau Mathematik. Dort lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Zurückgekehrt in ihre Heimat, arbeitete sie 40 Jahre als Mathematiklehrerin. Heute engagiert sie sich in einem Verein für ehemalige Häftlinge und erzählt in polnischen sowie auch in deutschen Schulen von ihrem Lebensweg.

Anschließend hatten wir die Möglichkeit, ihr Fragen zu stellen und unsere Eindrücke zum Ausdruck zu bringen. Besonders ist uns in Erinnerung geblieben, wie sie die Trennung von ihrer Mutter geschildert hat. Erst nachdem sie befreit wurde, wurde ihr klar, dass die Trennung von ihrer Mutter im Gefängnis das letzte Treffen und die letzte Umarmung mit ihr war und sie ihre Mutter nie wiedersehen würde.

Alle Schülerinnen und Schüler des Kurses hat ihre Erzählung sehr tief berührt, am beeindruckendsten war das Fazit, das sie aus ihrem Lebensweg gezogen hat. Dass sie an uns appelliert hat, dass wir nicht zulassen dürfen, dass so etwas wie im Zweiten Weltkrieg noch einmal passiert und dass man nicht mit Wut im Bauch durchs Leben laufen soll, sondern das Beste aus seinem Leben machen und andere nicht für das Vergehen früherer Generationen verantwortlich machen soll.

Gina Meissner, Lisa Koch, Marcie Wings

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