Physik-Lk besucht Theaterstück über Lise Meitner

"Kernfragen" für den Physik-Leistungskurs

Faszinierendes Schauspiel: Anita Zieher im Dialog mit Christoph Gareisen und Dietmar König

Am Bohrschen Atommodell, dem Franck-Hertz-Versuch oder der Relativitätstheorie von Albert Einstein kommt man als Physikschüler in der gymnasialen Oberstufe nicht vorbei. Wer aber waren die Menschen hinter diesen bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen? Was hat sie angetrieben, was hat sie beflügelt oder frustriert? Der Physikunterricht - selbst ein Hochschulstudium der Physik gibt in der Regel keine Antworten auf diese Fragen.

Also machte sich der Physik-Leistungskurs des Ernst-Mach-Gymnasiums am Abend des 5. Dezembers auf den Weg nach Bonn, um das Theaterstück „Kernfragen“ zu besuchen. In Hörsaal 1 des Universitäts-Hauptgebäudes bot sich den elf angehenden Abiturientinnen und Abiturienten ein faszinierender Einblick in das Schicksal der österreichischen Physikerin Lise Meitner, eine der Protagonistinnen der vielleicht wichtigsten Epoche der Physikgeschichte.

Am 27. Oktober hat sich der Todestag Meitners zum 50. Mal gejährt, was das Wiener „Portrait Theater“ zum Anlass nahm, die außergewöhnliche Geschichte der Physikerin in einem Theaterstück zu inszenieren. Basierend auf den Briefwechseln Meitners mit den befreundeten Wissenschaftlern Max von Laue und Otto Hahn erzählt die von Anita Zieher dargestellte Lise Meitner ihre Geschichte.

Mit Otto Hahn muss sie zu Beginn ihrer Berliner Zeit in einer Holzwerkstatt forschen, da Institutsleiter Emil Fischer keine „Weiberwirtschaft“ duldet. Im ersten Weltkrieg meldet sie sich freiwillig, arbeitet als Röntgenassistentin und Narkoseschwester. Bis 1920 muss sie als Frau auf die „Venia Legendi“, die wissenschaftliche Lehrerlaubnis, warten. Aus den „kosmischen Prozessen“ in einem ihre Vorträge macht ein Zeitungsreporter in seinem Bericht tatsächlich „kosmetische Prozesse“.

Oft geht es um Otto Hahn, mit dem sie vorübergehend ein wissenschaftliches Traumpaar bildet. Ihre jüdische Herkunft reißt die Beiden nach Hitlers Machtergreifung auseinander. Im letzten Moment gelingt ihr die Flucht nach Schweden, wo sich die berühmteste Anekdote ihrer Vita abspielt. Dem mit seinen Versuchsergebnissen hadernden Hahn attestiert sie aus dem Stockholmer Exil die Entdeckung der Kernspaltung. Für diese Leistung erhält Hahn 1944 den Nobelpreis, Lise Meitner erwähnt er in seiner Rede nicht.

So weit die überall abrufbaren historischen Häppchen. Doch erst die Bühneninszenierung im Bonner Uni-Hauptgebäude mit dem überzeugenden Schauspiel Anita Ziehers macht die Physikerin Meitner in all ihrer Frustration über die wiederkehrenden Zurücksetzungen, ihrer Einsamkeit im schwedischen Exil und ihren Selbstzweifeln an den eigenen Forschungsergebnissen als menschliches Wesen sichtbar.

So jedenfalls haben die Schülerinnen und Schüler die Physik noch nicht kennengelernt. „Ich wünschte, ich hätte bei einem der Berliner Seminare mit dabei sein können“, kommentierte Patrick, der dort gerne die wissenschaftlichen Diskussionen zwischen Albert Einstein, Max Planck, Max von Laue, Lise Meitner und all den anderen großen Wissenschaftlern miterlebt hätte.

Für das im Frühjahr anstehende Abitur spielt der Besuch in Bonn keinerlei Rolle, schließlich sind wissenschaftshistorische Aspekte nicht prüfungsrelevant. Der Blick auf die Physik, insbesondere auf eine ihrer wenigen Protagonistinnen könnte sich im Physik-Leistungskurs aber etwas verändert haben.

Gregor Evers

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