Ausstellung "Mathematik zum Anfassen" am EMG

Entspannte Kontaktaufnahme mit der Mathematik

Daniel hat’s geschafft. Der zehn Jahre alte Grundschüler hat aus den vier roten Schaumgummiklötzen eine dreiseitige Pyramide zusammengesetzt. Jetzt schweifen seine Blicke durch den Raum auf der Suche nach neuen Forschungsvorhaben. „Versuch doch mal einen Text zu entschlüsseln“, schlägt Mathelehrer Sebastian Hoheisel vor und zeigt auf den Computerterminal neben der Eingangstür.

Rätsel und Aufgaben hält die Wanderausstellung „Mathematik zum Anfassen“ des Gießener Mathematikums jede Menge bereit. Beim zweiwöchigen Gastspiel der Ausstellung am Ernst-Mach-Gymnasium erwies sich die „da-Vinci-Brücke“ als größte Herausforderung. Erst einer Gruppe Mathematik-Leistungskurslern vom Gymnasium Brühl gelang es nach ein paar Tagen, die Konstruktion aus Holzleisten, die ohne jede Befestigungshilfe zusammengesetzt werden mussten, in voller Größe zu präsentieren.

Viele Besucher nutzen die Gelegenheit am Ernst-Mach-Gymnasiums auch, um mit dem vorliegenden Material einfach nur zu spielen. „Das schöne an der Ausstellung ist, dass jeder Besucher seinen eigenen Zugang zur Mathematik findet“, sagt Sebastian Hoheisel, der die Ausstellung ans EMG geholt hat und auch maßgeblich an der Besucherbetreuung beteiligt war.

In den zwölf Tagen, in denen die knapp 20 Mathematik-Experimente am EMG bestaunt werden konnten, kam nicht nur die komplette EMG-Schülerschaft in ihren jeweiligen Matheklassen und -kursen vorbei. Mehr als 1400 Schülerinnen und Schüler auswärtiger Schulen machten sich auf den Weg in die Bonnstraße. Insgesamt waren 50 externe Gruppen zu Besuch. Von den Vorschulkindern aus der Kita Fischenich bis zu den Mathe-Referendaren vom Studienseminar Köln – gelangweilt hat sich hier niemand auch nur eine Sekunde.

„Es war toll die Kinder zu beobachten. Es gab keine einzige Streiterei. Von den vielen teilweise filigranen Einzelteilen der Experimente fehlt nicht ein Stück. Kinder und Jugendliche aus ganz unterschiedlichen Altersstufen arbeiten gemeinsam und harmonisch an der Lösung der vielen Knobelaufgaben“, berichtet Hoheisel, der schon wieder unterwegs ist, um die Lauge bei den Seifenblasenexperimenten aufzufüllen.

Dort stehen gerade einige Schülerinnen und Schüler der Krokodilklasse aus der Steinberger Straße in Nippes Schlange, um sich von einer gewaltigen schlauchförmigen Seifenblase einhüllen zu lassen. Dass die Mathematiker hier an der Ausprägung minimaler Oberflächen interessiert sind, kümmert die „Krokos“ nicht besonders. Macht aber auch nichts. Die Kinder sollen sich hier dem Thema Mathematik unangestrengt nähern.

Damit setzen die Gießener Mathematiker sinngemäß das um, was sich aus Studien der Universität Tübingen schlussfolgern lässt: Kinder gehen nach einer entspannten Kontaktaufnahme mit der Mathematik auch souveräner mit komplexeren Rechenproblemen um. Damit ist das Konzept von „Mathematik zum Anfassen“ weitgehend erklärt. Gelegenheit zur entspannten Kontaktaufnahme gab es nämlich jede Menge. Und wer noch nicht genug hat, sollte unbedingt einmal den Abstecher nach Gießen machen, wo das „Mathematikum“ von Prof. Albrecht Beutelspacher noch Einiges mehr bereithält.

In der Zwischenzeit hat Daniel mithilfe seines Klassenkameraden Jan den chiffrierten Text entschlüsselt. Eine Analyse der Drei-Buchstaben-Worte hat die beiden Viertklässler auf die richtige Spur gebracht. Jetzt drängt ihre Klassenlehrerin zum Aufbruch, der Heimweg nach Nippes dauert über eine Stunde. Wie die meisten ihrer Klassenkameraden wären Jan und Daniel gerne noch geblieben. Mathematik hat richtig Spaß gemacht.

Gregor Evers

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