Bili-Fachlehrerin Irmgard Waltermann im Interview

"Viel mehr als nur ein Stück Papier"

Tradition im englischsprachigen Raum: Irmgard Waltermann und Dirk Steines mit dem "Bili"-Schal

Am 18. Juni wurden am Ernst-Mach-Gymnasium die ersten elf Schülerinnen und Schüler mit einem deutsch-englisch bilingualen Abitur ausgezeichnet. Eine der tragenden Lehrkräfte dieses ersten zweisprachigen Abiturjahrgangs ist Irmgard Waltermann, die ihre ‘Bili-Truppe‘ in einem Englisch-Leistungskurs und dem englischsprachigen Geschichtsunterricht in der Oberstufe begleitete.

Erst einmal einen kräftigen Glückwunsch loswerden, oder?

Irmgard Waltermann: Auf jeden Fall! Die Schülerinnen und Schüler haben etwas Besonderes geleistet, auf das sie unbedingt stolz sein können und sollen. Also: Herzlichen Glückwunsch an alle Abiturientinnen und Abiturienten und ein besonderer Glückwunsch an die Bilis.

Worum geht es im bilingualen Bildungsgang? Um ein Stück Papier?

Waltermann: Erstens ist es ein sehr wertvolles Stück Papier, mit dem sich in Ausbildung und Beruf schon die eine oder andere Tür öffnet, die sonst verschlossen bliebe. Und zweitens geht es eben nicht nur um dieses Zeugnis. Uns ist wichtig, dass hier viele Kinder und Jugendliche vom bilingualen Bildungsgang profitiert haben und profitieren, ohne den entsprechenden Abschluss abzulegen.

Inwiefern profitieren die Schülerinnen und Schüler, die keinen bilingualen Abschluss erhalten?

Waltermann: Der häufige Umgang mit der englischen Sprache und die vertieften Sprachkenntnisse eröffnet den Jugendlichen viele neue Möglichkeiten. In bilingual unterrichteten Sachfächern Biologie und Geschichte setzen sie sich beispielsweise in ihren Recherchen ganz selbstverständlich mit englischsprachigen Quellen auseinander. Wir hören von vielen ‘Bilis‘, dass sie das irgendwann auch in den Fächern tun, die ausschließlich auf Deutsch unterrichtet werden. Ein wichtiger Schritt, wenn man bedenkt, wie viele Veröffentlichungen ausschließlich in englischer Sprache erscheinen. Aber etwas anderes erscheint mir noch wichtiger …

Und das wäre?

Waltermann: Der Aspekt der Multiperspektivität! Der Zugang zur englischen Sprache – auch in ihren feinen Nuancen – ermöglicht einen echten Perspektivwechsel. Ein Beispiel: Im bilingualen Geschichtsunterricht haben wir die berühmte „Blood-Toil-Sweat-and-Tears“-Rede von Winston Churchhill analysiert. Die Schülerinnen und Schüler haben mir anschließend rückgemeldet, dass sie auf diese Weise einen ganz neuen Blick – in diesem Fall den britischen Blick – auf die Bedrohung durch den Nationalsozialismus gewonnen haben. Die für die politische Bildung wichtige Änderung des Blickwinkels ist hier auf einer anderen Ebene möglich als im deutschsprachigen Geschichtsunterricht. Wenn man den europäischen Gedanken konsequent zu Ende denkt, ist die Möglichkeit des Perspektivwechsels – weg von der rein deutschen Sichtweise – von immenser Bedeutung.

Und diese Erfahrung machen auch Jugendliche, die kein bilinguales Abitur ablegen?

Waltermann: Genau! Eine der aktuellen Abiturientinnen hat sich gegen den Englisch-Leistungskurs (und für den Mathe-Lk) entschieden. Damit konnte sie kein bilinguales Abitur mehr ablegen. Am englischsprachigen Sachunterricht hat sie dennoch teilgenommen. Darüber ist sie sehr froh. Und nicht nur sie, sondern auch ihre Mitschüler und ihre Lehrerin. In unserer Wahrnehmung war und ist sie fester Bestandteil des Bili-Teams.

Ist das ein Appell, bei der Wahl der bilingualen Angebote am EMG nicht nur das zweisprachige Abitur im Blick zu haben?

Waltermann: Auch hier ein klares Ja! Ich würde mir sehr wünschen, dass unsere Angebote nicht nur als Vehikel auf dem Weg zu einem Zusatzzeugnis wahrgenommen würden. Und wenn entsprechende sprachliche Fähigkeiten da sind, würde ich jeden Schüler und jede Schülerin bestärken, den englischsprachigen Fachunterricht zu besuchen, selbst wenn klar ist, dass das Bili-Abitur nicht mehr erreicht werden kann.

Sie haben Ihrer Bili-Mannschaft zum Abitur noch ein besonderes Geschenk gemacht. Was ist der Hintergrund?

Waltermann: Die Idee haben mein Englisch-Kollege Dirk Steines und ich umgesetzt. Akademische Schals haben an vielen Hochschulen im englischsprachigen Raum - also vor allem in Großbritannien und den USA - eine lange Tradition. Das Geschenk soll den Abiturientinnen und Abiturienten bewusst machen, dass sie etwas Besonderes geleistet haben, und natürlich soll es sie auch an eine schöne Zeit erinnern.

Das Gespräch führte Gregor Evers

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