EMG-Stratosphärenflug - Teil 2: Die Ortung

"Wir haben Kontakt"

Wer den Film „Apollo 13“ gesehen hat, bekommt eine ungefähre Ahnung davon, was sich am Freitagnachmittag auf der A3 kurz vor der Ausfahrt „Siebengebirge“ abgespielt hat. Insgesamt fünf Physiklehrer des Ernst-Mach-Gymnasiums hatten sich auf den Weg gemacht, um die am Morgen mit einem Helium gefüllten Wetterballon gestartete Messsonde zu bergen. Gegen halb drei ist die Stimmung unter den EMG-Physikern auf dem Tiefpunkt.

Doch der Reihe nach: Bereits am Abend vor dem Start hatte der GPS-Tracker, mit dem die Sonde geortet werden sollte, Sorgen bereitet. Das etwa Streichholzschachtel große, mit einem kräftigen Akku und einer SIM-Karte ausgestattete System, reagiert - bei erfolgreicher Ortung – normalerweise mit einer SMS auf einen Anruf. Darin stehen Längen- und Breitengrad des aktuellen Aufenthaltsortes. Die Tests am Donnerstagabend auf dem EMG-Schulhof fielen aber ernüchternd aus: Viele der Anrufe blieben schlicht unbeantwortet.

„Bei unseren Tests hat der Tracker zuverlässig geantwortet“, berichtet Magnus aus der Klasse 9d noch am Morgen des Abflugtags. „Und das Gerät war nie weiter als 21 Meter von den angegebenen Koordinaten entfernt“, ergänzt Malik. Letzte Versuche kurz vor dem Countdown verlaufen dann erfolgreich, das Unbehagen aber bleibt. Ohne zuverlässige Ortung werden alle Bergungsversuche zu einem Lotteriespiel.

Mit einer gehörigen Portion Ungewissheit macht sich das Lehrerquintett 90 Minuten nach dem Start in Richtung Frankfurt auf den Weg. Ein Online-Programm zur Flugroutenplanung hat die Landung der Sonde in der Nähe des Ortes Puderbach im Westerwald vorhergesagt. „Die Richtung wird schon stimmen“, zeigt sich Karsten Borgmann bei der Abfahrt optimistisch.

Während der quälenden Schleichfahrt durch den Kölner Wochenendverkehr versuchen wir den Tracker telefonisch zu erreichen. Dass der Kontakt schnell abgerissen ist, beunruhigt Niemanden. Schließlich sind in die Mobilfunkantennen nicht für größere Höhen ausgerichtet. Nach gut zwei Stunden Flug nähern wir uns aber dem Zeitfenster, in dem mit der Landung zu rechnen ist.

Eine Stunde später hat sich lähmende Ernüchterung breit gemacht. Über dreißig Mal hat Schröder die Nummer gewählt, und immer sofort den Ansagetext der Mailbox im Ohr. Heißt: Die SIM-Karte im Tracker, der nach fast dreieinhalb Stunden Flug mit der Sonde längst gelandet sein müsste, ist nicht im Mobilfunknetz registriert.

Langsam finden wir uns damit ab, dass unser liebevoll gestaltetes Paket mitsamt seiner wertvollen Fracht in einem Funkloch gelandet ist. Noch viel mehr als verlorene Prozessoren und Sensoren schmerzt der Verlust vieler Hundert Bilder, Videos und Messdaten, die wir auf den Rechnern vermuten. Aus den Lautsprechern im Auto tönt die Hörbuchversion von Marc-Uwe Klings „Känguru-Chroniken“. Das Beuteltier erklärt uns den Weg aus der Wissens- in die Dissens-Gesellschaft und sorgt vorübergehend für Trost.

„Wir versuchen es noch bis drei Uhr, dann fahren wir nach Hause“, schlägt Steffi Busch vor und erntet Zustimmung. Zwei Minuten später ist der Moment da, der sich anfühlt wie "Apollo 13", als Tom Hanks sich in der dramatischen Wiedereintrittsszene aus dem Off meldet: „Hello Houston, this is Odyssey“. Nur fehlt auf der A3 die Musikuntermalung, und es ist Michael Schröder, der ruft: „Ich habe ein Freizeichen. Wir haben Kontakt.“ Nur wenige Sekunden später ist die SMS da: lat: 50.471893 long: 008.142495.

Es geht nach Limburg, genauer gesagt in die Nähe von Beselich an der Bundestraße 49, Richtung Gießen. Noch über eine Stunde Fahrt liegt vor uns. Aber was soll jetzt noch schief gehen.

Gregor Evers

Teil 1: Der Start
Teil 3: Die Bergung
Teil 4: Die Landung
Teil 5: Magische Bilder

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